Der Ursprung der Sportart Kitesurfen, die auch unter den Synonymen Kiteboarding und Flysurfing bekannt ist , lässt sich auf verschiedene Sportdisziplinen zurückführen. Bei der Entstehung und Entwicklung sind sowohl materialtechnische, als auch bewegungstechnische Elemente aus artverwandten Sportarten übernommen worden bzw. eingeflossen. Man findet im Kitesurfen Elemente aus dem Kite-Buggyfahren, dem Wellenreiten, dem Windsurfen, dem Skateboarden, dem Snowboarden und dem Wakeboarden. Dies ist unter anderem auch der Grund dafür, dass sich viele Sportler der vorher erwähnten Sportarten nicht nur für das Kitesurfen interessieren, sondern auch ihr ‚Know-How’ und ihre Bewegungserfahrungen in die Entwicklung dieser Sportart mit einbringen.
Die eigentliche Historie des Flugdrachens geht soweit zurück, dass eine genaue Rekonstruktion der geschichtlichen Entwicklung kaum möglich ist. Man geht aber davon aus, dass an verschiedenen Orten mit ähnlichen Ideen experimentiert wurde. Die Ursprünge des Flugdrachens Die Entwickler der ersten Drachen wurden sehr wahrscheinlich durch den Vogelflug oder durch das Fallen von Laub inspiriert. In China sollen die ersten Drachen aus Seide und Bambus schon ca. 1000 v. Chr. gefertigt worden sein.
Dort hat der Flugdrachen auch heute noch eine ausgeprägte Tradition in Form von jährlich stattfindenden großen Drachenfesten. Damals wurden die Konstruktionen zu militärischen Zwecken benutzt, um Soldaten in große Höhen zu befördern, wo diese als Späher fungierten oder bewaffnet mit Pfeil und Bogen über den feindlichen Lagern in Stellung gebracht wurden. (Kent, 1998; Sahasrabuddhe, 1998). In Indonesien und Sualawesi wurden Drachen zum Fischfang eingesetzt. Diese Technik hatte den Vorteil, dass sich der Fischer nicht durch seinen Schatten und seine Bewegungen verriet. Das Wort 'Manu' heißt sowohl im Sulawesi als auch in der Sprache der Maoris ‚Drache’. Ein Indiz dafür, dass es Drachen schon vor der Emigration der Maoris nach Neuseeland vor mehr als 1000 Jahren gegeben haben muss (Sahasrabuddhe, 1998). In vielen Kulturen wurden Drachen für die unterschiedlichsten Tätigkeiten genutzt. Neben dem Fischfang dienten sie als Hilfsmittel bei der Treibjagd, zur Ausbildung von Jagdfalken und zur militärischen Kommunikation.
In Fernost wurden buntbemalte Drachen als Symbole in religiösen Zeremonien benutzt (Kent, 1998).
Im 13. Jahrhundert erreichte die Verbreitung des Drachens, mit dem aus Asien zurückkehrenden Marco Polo, auch Europa. Hier fand das Gerät aber bis Mitte des 18. Jahrhunderts hauptsächlich nur als
Spielzeug Verwendung (Kent, 1998; Sahasrabuddhe, 1998).
Erst als Benjamin Franklin 1752 in einem physikalischen Experiment mit Hilfe eines Metall-Drachens, in den ein Blitz einschlug, Alkohol entzündete, begann sich die Wissenschaft für das Fluggerät
zu interessieren (The Drachen Foundation, 2003 a).
Einer der herausragensten Entwickler menschentragender Drachen war Samuel Franklin Cody. Er entwickelte den heute immer noch sehr populären, aus quadratischen Elementen bestehenden Cody-Drachen,
der in der Lage war, Menschen über längere Zeit in der Luft zu tragen. Um die Leistungsfähigkeit seiner Drachen zu beweisen fuhr er 1903 in einem Boot , gezogen von einem Drachen, über den
Ärmelkanal (Roberts, 2003).
An Drachen untersuchten die Gebrüder Wilbur und Orville Wright die Aerodynamik. Ihnen gelang 1903 der erste bemannte Motorflug, nachdem sie jahrelang alle ihre Flugzeugmodelle als Flugdrachen
getestet hatten (The Drachen Foundation, 2003).
Die Erfindung des Drachen wurde weiter durch Francis M. Rogallo mit der Erfindung des Delta-Drachens vorangetrieben. Dieser Drachen – seiner Form wegen nach dem griechischen Buchstaben Delta
benannt – verbindet einen simplen Aufbau mit einer hohen Leistung an Steuerbarkeit und Gleitverhalten. Auf seiner Entwicklung basieren die heutigen Ultraleichflugzeuge, Hanggleiter,
Sportlenkdrachen und auch das Kite-Ski System von Corry Roeseler (Australian Kite Association, 1999; Newman & Newman, 1998).
Domian C. Jalbert entwickelte Zell-Drachen, die ihre Form, ohne starre Tragelemente, nur durch die einströmende Luft erhalten. Der Vorteil dieser Drachen besteht in dem geringen Gewicht und
kleinen Packmaßen beim Transport. Der Drache bildet sein Profil durch Boden- und Deckenlagen aus, die durch zahlreiche Textilrippen miteinander verbunden sind. Die komplizierte
Aufhängungskonstruktion bündelt die Kraft des Drachen auf die Lenkschnüre. Moderne Fall- und Gleitschirme sind nach einem ähnlichen System aufgebaut. (Phlham, 1998).
Traction-Kites
Die Idee, durch Drachen Gegenstände und Personen zu bewegen, ist so alt wie der Flug-Drachen selbst. Als den Vater des ‚Traction-Kites’ kann man den Engländer George Pocock bezeichnen. Ihm gelang
es im Jahre 1826 mit dem ‚Char-Volant’, einer Kutsche, die mit zwei von ihm entwickelten und patentierten vierleinigen Drachen gezogen wurde, sich mit einer Geschwindigkeit bis zu 20 km/h
fortzubewegen und sogar gegen den Wind zu kreuzen (Lynn, 2002; Sahasrabuddhe, 1998; Australian Kite Association, 1999).
Trotz des Aufsehens, welches er erregte, wurde die Idee bis in die späten siebziger Jahre nicht weiter verfolgt.
Erst seit Ende der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist die Entwicklung von leistungsfähigen Drachen enorm vorangetrieben worden. Mit den Entwicklungen von High-Tech Flugleinen aus Kevlar,
später Spectra, und effektiven, lenkbaren Drachensystemen vergrößerte sich der Einsatzbereich und die Drachen wurden somit langsam alltagstauglich (Lynn, 2000). Das hieß zum einen, dass die
Drachen durch das neue Material einen größeren Windeinsatzbereich bekamen und zugleich einer größeren Zugkraft standhielten, und zum anderen konnten sie gezielter gesteuert werden.
1978 erreichte Ian Day mit einem ‚Flexifoil–Drachen’ angetriebenen Katamaran auf dem Wasser eine Geschwindigkeit von über 40 km/h. Im Laufe der achtziger Jahre gab es mehr oder weniger
erfolgreiche Versuche sich mit Kanus, Schlittschuhen, Wasserski, Alpinski, Rollerskates, usw. ziehen zu lassen. Der eigentliche Durchbruch des ‚Traction-Kites’ kam erst 1990 mit der Entwicklung
des Kite-Buggys (Lynn, 2002).
Kite-Buggy
Der erste Kite-Buggy wurde von dem neuseeländischen Drachenkonstrukteur Peter Lynn entwickelt. Für ein Drachenfest wurde Lynn gebeten, ein Vehikel mitzubringen, mit dem man sich auf dem Land
durch einen Drachen angetrieben fortbewegen konnte. Lynn, der sich hauptsächlich mit dem Entwickeln von drachenangetriebenen Booten beschäftigte, tauschte einfach die Kufen eines ‚Kite-Trimarans’
gegen Räder aus und erfand damit das Kite-Buggyfahren.
Der Buggy war auf den Festen ein großer Erfolg und innerhalb von zwei Jahren verkaufte Lynn Kite-Buggies in alle Welt. Obwohl er sehr viel mit diesen Geräten experimentierte, blieb das Design den
ersten Prototypen sehr ähnlich.
Ein Buggy besteht aus einem Stahlrahmen mit einer Art Fahrradgabel vorne und einer ca. 1,5 m breiten Achse hinten. Er läuft auf drei kugelgelagerten, je nach Untergrund verschieden breiten
Reifen. Gesteuert wird er mit den Füßen, wobei der Fahrer in einem Schalensitz sehr niedrig über dem Boden sitzt, um den Schwerpunkt möglichst tief zu halten und um nicht umzukippen. Zum
Kite-Buggyfahren werden hauptsächlich Softkites verwendet, also Drachen, die ihr Profil durch den Winddruck erhalten.
Anstelle einer Controlbar , wie man sie vom Kitesurfen her kennt, werden die vierleinigen Hochleistungs-Drachen mit Hilfe von Handels geflogen, die eine äußerst präzise Steuerung
ermöglichen.
Mittlerweile erreichen gute Fahrer Geschwindigkeiten von über 90 km/h. In vielen Küstenregionen werden in dieser Sportart Langstreckenrennen ausgetragen (Lynn, 2002).
Die Entwicklung des Kite-Buggyfahrens hatte einen großen Einfluß auf das Kitesurfen, da die Umsetzung vom Zug eines Drachens in Geschwindigkeit sowohl auf dem Land, wie auch auf dem Wasser
ähnlich funktioniert.
Teilweise wird das Buggy-Fahren auch als Vorbereitung zum Kitesurfen, aufgrund der erleichterten Bedingungen, in der Schulung eingesetzt.
Verwandte Boardsportarten
Die Kombination von Drachen- und Boardsportarten führte zur Entwicklung des Kitesurfens.
Ähnliche, teilweise auch identische, bewegungstechnische und koordinative Fähigkeiten, als auch materialtechnische Komponenten lassen sich in den Boardsportarten Wellenreiten, Windsurfen,
Skateboarden, Snowboarden und Wakeboarden ausmachen.
Wellenreiten
Wellenreiten wird als die „Mutter aller Gleitsportarten“ bezeichnet und ist wahrscheinlich eine der ältesten Wassersportarten überhaupt. Die Ursprünge des Wellenreitens liegen in Hawaii und von
dort aus erlangte die Sportart zu Popularität auf dem ganzen Globus.
Mit der Erfindung neuer Materialien seit Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden leichter zu beherrschende Wellenreitboards und der Wellenreitstil entwickelte sich weg vom erhabenen ‚Dahingleiten’
auf der Welle zu schnellen, trickreichen Manövern in der Welle (Kampion & Brown, 1998).
Kitesurfen und Wellenreiten weisen neben der für fast alle Boardsportarten ähnlichen Körperposition, auch in ihren Bewegungsabläufen beim Fahren in der Welle deutliche Parallelen auf.
So ist die Kurvenlage bei einer Halse im Kitesurfen dem ‚Bottom Turn’ und ‚Top Turn’ beim Wellenreiten sehr ähnlich.
Beim Kitesurfen in der Welle sind die Bewegungsabläufe nahezu identisch mit dem Wellenreiten bzw. dem Windsurfen wie z.B. dem ‚Cutback’ und dem ‚Floater’ .
Zudem wiesen die Kitesurfboards der ersten Generation sehr starke Ähnlichkeiten mit Wellenreitboards in Konstruktion und Shape auf.
Windsurfing
Das Prinzip der Steuerung eines windbetriebenen Wasserfahrzeugs durch die Neigung des Mastes wurde bereits vor 1.000 Jahren entdeckt. Damals steuerten brasilianische Fischer ihre Balsaholzflöße
mit dieser Technik (Surf, 1977).
Im Jahr 1968 erfand der amerikanische Flugzeugkonstrukteur und Wellenreiter Jim Drake das moderne Windsurfen. Er verband ein freibewegliches Segel durch ein Gelenk mit einem Surfboard und
benutzte zur Steuerung einen an Mast und Segel befestigten Gabelbaum.
1974 wurden in den USA die ersten Weltmeisterschaften im Windsurfen ausgetragen, welche die Popularität der Sportart weltweit förderte und die Entwicklung weiter vorantrieb. 1984 wurde die
Sportart olympisch.
Auch beim Windsurfen sind ähnliche Bewegungsstrukturen und Parallelen zum Kitesurfen offensichtlich. Zum Beispiel ähnelt die Halse beim Kitesurfen auf einem Directional-Board sehr stark der
Powerhalse im Windsurfen. Ebenfalls die bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnten Manöver in der Welle.
Die Verwendung von Trapez und Fußschlaufen stellen materialtechnische Gemeinsamkeiten der beiden Sportarten dar. Sowie auch die ähnlichen Boardformen in Bezug auf die Directional Boards.
Kitesurfen mit Directional Boards wird heutzutage als ‚Surfstyle’ bezeichnet in Abgrenzung zum ‚Wakestyle’, bei dem Wakeboards oder kleine Twin Tips gefahren werden.
Skateboarding
Die Wurzeln des Skateboardens liegen in Kalifornien. Dort kamen in den späten 50er Jahren des letzten Jahrhunderts Wellenreiter auf die Idee Surfbretter für die Straße zu bauen. Auf diese Weise
entstanden die ersten Skateboards, die man auch anfangs als ‚Asphaltsurfer’ bezeichnete. Einen richtigen Boom erlebte das Skateboarden erst ab den 70er Jahren als neue Materialien entwickelt
worden waren, die vor allem bezüglich den Rollen eine längere und bessere Benutzbarkeit aufwiesen, und neue Shapes entwickelt wurden, die ganz neue Möglichkeiten in Hinblick auf den
Einsatzbereich eines Skateboards. Es entstand das ‚Vertskating’, das Skaten auf vertikalen Rampen und in leeren Schwimmbecken mit dabei zu bewältigende Flugmanövern. In Deutschland setzte dieser
Trend erst ein Jahrzehnt später ein. Auf die Hochzeiten des ‚Vertskating’ folgte der Boom des ‚Street-Skatings’ und deren technisch versierten Tricks. Seit Mitte der 90er Jahre feierte auch das
‚Vertskating’ sein Comeback. (Kane 2002, 12f).
Beide Disziplinen sind mittlerweile Inhalte von diversen Wettkämpfen, wie X-Games, Masterchips und Skateboard World-Cups.
Wie das Wellenreiten als ‚Mutter aller Gleitsportarten’ bezeichnet wird, kann man das Skateboarden als ‚Mutter’ vieler Sprungmanöver und deren Begriffsbelegung bezeichnen. Sowohl im Snowboarding,
Wakeboarding als auch im Kitesurfen macht sich der Einfluß des Skateboardens bemerkbar. Manöverbezeichnungen und Manöverausführungsmerkmale wie 180°, 360°, 540°, 720°, Fakie, Switch, Indy, Grab,
Boneless, Mute, Boned, Tweaked, Twist, Varial, Invert, etc., die ihre Urprünge im Skateboarden haben, machen dies deutlich.
Snowboarding
Snowboarding erscheint auf den ersten Blick auf Grund seiner klimatischen Bedingungen nicht mit Kitesurfen verwandt. Parallelen gibt es jedoch viele.
Wie beim Snowboarding ist auch beim Kitesurfen das Aufkanten des Boards und die extreme Gewichtsverlagerung Richtung Fersen oder Zehenkante ein wesentliches Steuerelement. Zudem wird das beim
Freestyle-Snowboarden oft übliche ‚Switch-Stance’ fahren und ‚Fakie’ fahren auch beim Kitesurfen eingesetzt. Dabei entfällt der Fußwechsel, der sonst notwendig wäre um in die andere Richtung zu
fahren.
Die beim Freestyle-Snowboarden üblichen Sprünge wie Spins und Grabs gibt es ebenfalls beim Kitesurfen, so dass die beim Snowboarden üblichen Bezeichnungen, die ihre Wurzeln zum großen Teil im
Skateboarden haben, auch ins Kitesurfen übernommen worden sind.
Eine aus beiden Sportarten, also Snowboarding und Kitesurfen bzw. auch Skifahren und Kitesurfen, wiederum entstandene Trendsportart nennt sich ‚Snowkiting’. Hochburgen für diesen alternativen
Wintertrend sind Frankreich und die Schweiz.
Wakeboarding
Zumindest teilweise liegen die Wurzeln des Wakeboardens im Wellenreiten, denn es waren Wellenreiter, die experimentierten und sich mit Wellenreitboards hinter Booten herziehen ließen. Der
Wellenreiter Tony Finn entwickelte den ‚Skurfer’, der einem Miniatur-Wellenreiter ähnelte, mit dem jedoch wellenreitähnliches Carven hinter einer Motorbootwelle möglich war. 1990 entwickelte der
Wasserskipionier Herb O’Brien das erste richtige Wakeboard, dass an ein eher kleines, aber breiteres Freestyle Snowboard erinnert. Diese modernen Wakeboards haben eine symmetrische ‚Twin-Tip
Form’ und kleine symmetrisch angeordnete Finnen auf der Unterseite. Statt Fußschlaufen werden feste Bindungen benutzt. (Dembie, 2003).
Beim Wakeboarden auf Wasserskianlagen, wo der Zug von schräg oben kommt, entsteht die dem Kitesurfen ähnlichste Simulation. Deshalb wird auch das Wakeboarden, wie auch das Kite-Buggyfahren,
teilweise in einigen Schulungskonzepten eingesetzt, um das Lernen unter leichteren Bedingungen zu ermöglichen.
Wakeboardtechniken und Material haben innerhalb des Kitesurfens zu einem eigenen Stil geführt: dem Wakestyle. Es wurden Techniken mit gleicher Bezeichnung und Ausführung übernommen, wie auch
Wakeboards und daraus speziell für das Kitesurfen entwickelte Twin-Tip Boards.
Die Entwicklung des Kitesurfens
Durch den weltweit großen Erfolg des Buggysports wurde die Kite-Entwicklung in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts vorangetrieben und immer weiter verbessert. Weitere Entwicklungen jedoch
gingen fast unabhängig davon in die Richtung, die wir heute Kitesurfen nennen (Lynn, 2000; Legaignoux, 2001).
Der Schweizer Andreas Kuhn segelte bereits Mitte der 80iger Jahre auf einem Wakeboard ähnlichen Brett, während er sich von einem Paraglider (ca. 25 m²) ziehen ließ. Er war wahrscheinlich der
erste, der hohe Sprünge bei Leichtwind Bedingungen ausführte. Dies wurde sogar im europäischen Fernsehen gezeigt.
Aber die eigentlichen Gebrüder Wright und Urväter des Kitesurfens sind die Familie Roeseler aus Seattle/USA und die beiden französischen Brüder Dominique und Bruno Legaignoux.
In den späten 80igern entwickelten Bill Roeseler und sein Sohn Corey am Hood River- in Oregon ein patentiertes Kite-Ski System, das seit 1994 kommerziell verfügbar ist und sich zunächst auch
durchsetzte: Der Fahrer steuert hierbei auf Wasserskiern einen großen Zweileiner-Deltadrachen mit einer Lenkstange, auf der eine Winde montiert ist, mit der der Deltadrache nach einem Absturz
herangezogen werden kann, um ihn dann erneut aus der Hand zu starten. Das Kite-Ski System verfügt über echte Wasserstarteigenschaften und eine hervorragende Leistung auf Amwindkursen.
Ebenfalls in den 80iger Jahren widmeten sich die Gebrüder Legaignoux der Entwicklungsarbeit im Kitesurfen. Aus vielen Studien und Experimenten entstand das mittlerweile legendäre WIPIKA (WI.nd
P.owered I.nflatable K.ite A.ircraft) Drachensystem, welches die 1984 patentieren ließen. Sie entw-ickelten ihr System kontinuierlich weiter und verkauften 1993 ihre ersten Kites. Der WIPIKA-Kite
ist ein Parasail ähnlicher Drache, der mit aufblasbaren Luftkammern bzw. –schläuchen versehen ist. Auf diese Weise ist der Drache auch aus dem Wasser heraus bei voll ausgelegter Leiner relativ
leicht startbar.
In der Geschichte des Kitesurfens wird das WIPIKA Drachendesign als der Durchbruch für das Kitesurfen angesehen. Heutzutage orientieren sich alle Schlauchschirmhersteller an diesem Patent. Das
WIPIKA Drachensystem hat in den letzten 4 Jahren weitgehend das Kitesurfen (besonders auf Maui) bestimmt. Mattenschirme, wie sie im Kitebuggy-Sport benutzt werden, konnten sich bislang nicht
durchsetzen.
Bei den Mattenschirmen dient das F-One-System von Raphael Salles aus Frankreich, welches Gleitschirm Konstruktionen ähnelt, als Vorlage. Die deutsche Firma Windtools konstruierte 1999 basierend
auf dieser Vorlage, die ersten Lenkmattenschirme mit einem Wasserstart-System, das allerdings bislang noch nicht in dem Maße überzeugen konnte, wie die Wasserstarteigenschaften der Tubekites.
Lediglich die Hybridkites der deutschen Marke Flysurfer haben es geschafft sich in einer kleinen Gemeinde von ‚Softkitepiloten’ zu etablieren.
1996 erregten die beiden Windsurfprofis Laird Hamilton und Manu Bertin auf Hawaii großes Aufsehen, als sie mit dem Kite-Ski System und dem WIPIKA System auf Surfboards, später auf Kiteboards,
experimentierten. Sämtliche Medien berichteten ausschweifend darüber.
Die Firma F-One war daraufhin 1997 die erste, die spezielle, von Raphael Salles und Laurent Ness entwickelte, Kiteboards serienmäßig produzierte und verkaufte.
Seit 1998 kann man Kitesurfen als ernsthafte (Extrem-) Sportart betrachten. In diesem Jahr gelang es einigen Fahrern Höhe zu laufen bzw. hart am Wind zu fahren. Die ersten Kitesurf-Schulen wurden
auf Hawaii eröffnet und es gab den ersten offiziellen Wettkampf auf Maui. Der Gewinner dieses ersten Wettkampfes war der damals noch von WIPIKA gesponserter Fahrer Marcus „Flash“ Austin.
(siehe dazu: Dolittle, 1999; Dorn, 2003; Legaignoux, 2001; Lynn, 2000, Seifert, 2002).
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zwei große internationale Kitesurf-Contest Serien. Einmal die Worldcup-Championchip Tour, die von der Fahrervereinigung PKRA (Professional Kite Rider Association)
organisiert und durchgeführt wird, und die Kitboarding Pro Worldcup Tour (KPWT). Ab dem Jahr 2003 soll unter Federführung der International Kitesurf Organization (IKO) eine Jahresweltrangliste
(International Kitesurfing Masters) geführt werden, bei der alle Platzierungen beider Touren nach einem bestimmten Punktesystem gewertet werden, ähnlich der Handhabung im Tennis. Der Beste Fahrer
und die beste Fahrerin werden dann zum „Worldchampion“ des entsprechenden Jahres gekürt.
In Deutschland schaffte der Sport 1999 seinen Durchbruch. Der VDWS (Verband Deutscher Windsurf- und Wassersportschulen) nahm sich dieser Sportart an, begann eine Lobby in Politik und Industrie
aufzubauen und entwickelte ein Ausbildungskonzept. Der erste Lehrgang, bei dem Kitesurfinstruktoren ausgebildet wurden, fand bereits im März des Jahres 2000 statt. In den Jahren 2000 und 2001
wurden insgesamt 133 Kitesurflehrer vom VDWS ausgebildet. Im Jahr 2001 wurden etwa 4000 VDWS Kitesurf-Lizenzen in den VDWS Kitesurfschulen verkauft.
Man geht in Deutschland derzeit von ca. 10.000 Kitesurfern bzw. kitesurfinteressierten Menschen aus.
Die 2002 erstmals durchgeführte Kite Surf Trophy der Agenturen AMC und Brand Guides war der erste Versuch einer inoffiziellen Deutschen Meisterschaft. Es gab fünf Tourstops (Jurata/ Polen;
Fischland Darß; Fehmarn; Norderney; Mallorca/ Spanien) und ein Gesamtfeld von 42 männlichen Teilnehmern und 6 weiblichen Teilnehmern. Zwei Tourstops blieben dabei ohne Wertung aufgrund von
Windmangel (vgl. Trefz 2003)
In der Saison 2003 wird die Kite Surf Trophy als Verbandswettkampf der Deutschen Windsurfing Vereinigung (DWSV), die dem Deutschen Segler Verband (DSV) angehört, durchgeführt und erhält somit den
Status einer offiziellen Deutschen Meisterschaft.
Zur Zeit gibt es zwei deutsche Fachzeitschriften, die ausschließlich über die Sportart Kitesurfen berichten: Das Kite-Magazin und die Kiteboarding.de. Sie haben jeweils eine Auflage von ca. 8000
bzw. 5000 Stück.
Publiziert und informiert wird sonst ausschließlich über das Medium Internet.
Das Kitesurfen hat sich bereits in der Wassersportszene etabliert und sich seinen Platz in der Reihe der neuen Board- und Extremsportarten gesichert.
Stetige Verbesserungen und Neuentwicklungen beim Material und bei den Lehrmethoden werden dazu führen, dass Kitesurfen immer einfacher und vor allem sicherer zu erlernen sein wird.
Text aus: Kappenstein, Jörn (2003): Bewegungstrukturen im Kitesurfen (Kapitel 2.2 Entstehungsgeschichte des Kitesurfens). Bochum.